Meie Rede heute auf der ACTA-Demo in Aalen, zu der ich als REdner eingeladen war:
Der Konflikt um ACTA, schwelt schon seit Beginn der ersten Verhandlungen 2007. Ziel des Abkommens ist der Schutz von Markenrechten, des Urheberrechts und eine damit verbundene, stärkere Rechtsdurchsetzung. Wir lehnen das ACTA-Abkommen ab, weil wir gegen Internetzensur, beschränkte Meinungsäußerung, Verlust der Netzneutralität, totale Überwachung aller Netzaktivitäten und restriktive Bestrafungen sind. Unsere grüne Politik setzt sich für ein freies Internet und für die Bewahrung von Persönlichkeits- und Bürgerrechten ein. Wir wenden uns gegen die Verschleierungstaktik und Geheimhaltungsversuche, wie sie im Falle ACTA zu Tage getreten sind. Öffentlichkeit und demokratische Kontrolle wurden in katastrophaler Weise übergangen. So etwas können wir nicht zulassen.
Wir Grüne finden es fatal, dass hier losgelöst von den international legitimierten Institutionen, allen voran den Vereinten Nationen, Verhandlungen vorangetrieben werden, die einzelne Staaten bewusst ausgrenzen und demokratische Prozesse unterlaufen. Alleine die Entstehung von ACTA, die Geheimhaltungstaktik und die Tatsache, dass Wirtschaftslobbys stärker in die Verhandlungen eingebunden waren, als demokratisch gewählte Abgeordnete, führt nicht nur für uns Grüne zu einem deutlichen: Nein zu ACTA! Konsequenterweise sind am 11. Februar deutschlandweit über 100.000 Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen dieses Abkommen zu protestieren. Tschechien, Slowakei, Lettland, Slowenien, Deutschland, Bulgarien, die Niederlande, Litauen – auch Slowenien erwägt einen Stopp der Ratifizierung. Die EU lässt das Abkommen zwischenzeitlich durch den Europäischen Gerichtshof überprüfen.
Reicht uns das? Nein, das reicht uns nicht.
Wir wollen, dass dieses Abkommen in seiner jetzigen Form als nicht ratifizierungsfähig erklärt wird, wir wollen ein neues Abkommen, das das alte durch einem demokratisch legitimierten, transparenten Prozess ersetzt. Denn selbst ein positives Urteil des EUGH entlässt die zuständigen Gremien nicht aus der Verantwortung, eine politische Entscheidung über ACTA zu treffen.
ACTA war zwischenzeitlich ein Gruselkabinett der Kontroll und Überwachungsinstrumente zur Durchsetzung des Urheberrechts. Nicht zuletzt auf wiederholten Druck von uns Grünen und einer aktiven Zivilgesellschaft sind viele Instrumente zur Kontrolle und Verfolgung entsprechender Rechtsverstöße im Abkommen nicht mehr als verpflichtend gekennzeichnet. Sie werden aber weiterhin als Möglichkeit oder zu erreichendes Ziel aufgeführt.
Wollen wir das? Nein, das wollen wir nicht.
Auch die durch ACTA zu erwartenden Folgen für Entwicklungsländer, vor allem die Auswirkungen auf die Versorgung mit lebenserhaltenden generischen Medizinprodukten sind dabei unerträglich. Den unterzeichnenden Staaten wird erleichtert, Beschlagnahmungen von Generika für Entwicklungsländer durchzuführen, sobald Ähnlichkeiten bspw. bei Namen oder Verpackungsgestaltung mit markenrechtlich geschützten Medikamenten besteht. Das Risiko, dass Generika konfisziert und Produktionsketten behindert werden, dass einstweilige Verfügungen zu Engpässen bei der Versorgung von Kranken führen, sind enorm und können für viele Menschen lebensbedrohlich enden Wir alle wissen um an die Probleme bezahlbarer Medikamente vor allem in den Entwicklungsländern. Ich erinnere mich gut an die Berichte über die viel zu teuren AIDS-Medikamente für Afrika, die effektive Hilfe verhindert – wer nicht? Profit darf nicht länger vor der Rettung von Menschenleben stehen. Und ist es sinnvoll, sich ein Verfahren zum Einfügen von Schokopudding in Vanillepudding patentieren zu lassen? Macht es Sinn, dass mein Parteifreund Ströbele bei jeder Sportsendung, in der die Worte „Toor, Toor, Toor“ gebrüllt werden, dazu die Genehmigung erteilen muss – sein Onkel war es, der im Berner Stadion saß, und er ist der Erbe. Was ist die schöpferische Leistung an „Toor, Toor, Toor“? Es gibt viele weitere Beispiele, wo Urheber- und Patentrechte mit nichts anderem als widersinnig bezeichnet werde müssen.
Über diese Debatte hinaus darf aber nicht vergessen werden, dass neben der Freiheit im Netz auch die Freiheit, Kultur zu schaffen und davon zu leben, gefährdet ist. Nicht alle Urheber_innen heißen Madonna oder Angelina Jolie und führen ein Leben in Saus und Braus. Nicht jeder Autor landet mit jedem Buch einen Beststeller oder möchte das gar. Journalisten wollen von ihrer Arbeit leben können und sind als 4. unabhängige Macht im Staat auch dringend notwendig. Wir brauchen faire Regeln, die den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden. Weder Nutzer noch Produzenten können verantwortlich dafür gemacht werden, dass die bisherigen Verwerter offenbar verpasst haben, sich der rasanten digitalen Entwicklung anzupassen – und nun mit ihren alten Brötchen in leeren Backshops am Ortsrand ohne Kunden stehen. Wir brauchen neue Regeln. Diese können aber nicht „Kriminalisierung von Nutzern“, Entzug der Einkommensgrundlage, Abmahnverfahren, Two- oder Three-Strikes, Zensur heißen. Das können keine Regeln sein, die alleine mächtigen Verwertungskonzernen von Disney bis Springer den Umsatz garantieren und Abmahnanwälte ein Vermögen mit arglosen Menschen für briefmarkengroße Fotos auf ihrer Homepage verdienen lassen. Wir lassen uns die Freiheit von denen, die Angst vor ihr haben, nicht nehmen. Wir werden nicht zulassen, dass unsere Freiheit für veraltete Geschäftsmodelle eingeschränkt wird. Gemeinsam sind wir stärker.
ACTA STOPP